Straßenkinder in Tansania
Einem Bericht des Ministeriums für Soziales aus dem Jahr 2019 zufolge lebten und arbeiteten in dieser Zeit ungefähr 35.000 Kinder und Jugendliche auf der Straße. Diese Zahl stammt aus einer Erhebung in den 7 größten Regionen Tansanias. Es gibt keine flächendeckenden Erhebungen dieser Art, aber man kann sicher sagen, dass diese Zahl stetig steigt.
Warum leben so viele Kinder auf der Straße?
Die Gründe dafür sind vielschichtig und eng miteinander verwoben. Hier möchten wir die wichtigsten aufführen:
Zerrüttete Familien
Wenn sich Eltern trennen oder ein Elternteil bzw. ein erziehungsberechtigtes Familienmitglied stirbt, fehlen oft die Grundvoraussetzungen um Bedürfnisse wie Nahrung, Kleidung, Liebe und Zuneigung zu stillen.
Kindesmissbrauch
Kinder und Jugendliche erfahren Missbrauch durch die Eltern sowie andere im häuslichen Umfeld lebende Erwachsene, wie Stiefmutter, Zweit- oder Drittfrau, Onkel, Tante oder Großeltern. Missbrauch in Tansania ist vielfältig: sexuelle Übergriffe, körperliche Misshandlung, übermäßige Bestrafung, emotionaler und spiritueller Missbrauch (Zauberei) gehören zu den bekanntesten Formen.
Armut der Familie
Unzureichende Bildung, Arbeitslosigkeit und verantwortungsloser Umgang mit Geld (z.B. Sucht, Glücksspiel) führen dazu, dass zu wenig Geld für die Grundbedürfnisse der Kinder vorhanden sind.
Landflucht
Die Hoffnung auf ein besseres Leben und die Vorstellung, dass man bessere Lebens- und Arbeitsbedingungen vorfindet, treibt die Jugendlichen in die Großstädte, wo diese Hoffnung aber schnell durch die harte Realität zerschlagen wird.
Einfluss von Gleichaltrigen
Wenn Freunde oder Nachbarskinder, die mittlerweile auf der Straße leben, den Kindern durch Erzählungen und Prahlereien das Leben auf der Straße schmackhaft machen, verlassen Kinder ihr Zuhause, um ein vermeintlich besseres Leben zu führen.
Welche Gefahren gibt es auf der Straße?
Mangelnder Schutz
Anfangs empfinden Kinder und Jugendliche das Leben auf der Straße als sehr positiv, weil sie sich frei und unabhängig fühlen. Diese Freiheit ist allerdings trügerisch und entwickelt sich durch die fehlende Aufsicht von Schutzbefohlenen zu einem ungesunden Lebensstil, was letztlich eine Rückführung in die Herkunftsfamilie sehr schwierig macht.
Stigmatisierung durch die Gesellschaft
Anhand ihres äußeren Erscheinungsbildes sind Straßenkinder in der Gesellschaft leichter erkennbar und werden ausgegrenzt. Durch diese Aberkennung ihrer Würde und ihres Wertes kommt es dazu, dass ihr Selbstwertgefühl sinkt und sie sich für ein Leben in Selbstverleugnung entscheiden. Um diese Emotionen zu betäuben, flüchten viele in den Rausch und werden drogenabhängig.
Geldbeschaffung
Der tägliche Überlebenskampf auf der Straße führt dazu, dass sich Kinder und Jugendliche auf einen kriminellen und unsicheren Lebensstil einlassen. Gelegenheitsjobs wie das Waschen von Autoscheiben an Ampeln, Händlern und Kunden auf dem Gemüsemarkt beim Tragen helfen, der Verkauf von Süßigkeiten und Zigaretten am Straßenrand oder Betteln sind eine übliche Einnahmequelle. Viele lassen sich darüber hinaus auf Diebstahl, kommerziellen Sex für ein Taschengeld, Drogenverkauf oder Glücksspiel ein, um an dringend benötigtes Geld zu kommen.
Misshandlung durch Ältere
Die Lebensbedingungen auf der Straße führen zu einer ungesunden Abhängigkeit untereinander, die den jüngeren Kindern zwar Schutz bieten kann, aber auch zu Übergriffen seitens der älteren verleitet. Nicht selten werden Jüngere von ihnen überlegenen Älteren körperlich und sexuell misshandelt, zu Drogenmissbrauch gezwungen oder emotional erpresst.
Unterkunft auf der Straße
Viele der Straßenkinder suchen sich zum Schlafen ein Schlupfloch an öffentlichen Plätzen. Manche finden sich als kleines Grüppchen zusammen, weil sie sich so sicherer fühlen. Da sie keine feste Bleibe haben, sind sie gezwungen ihre persönlichen Sachen immer am Körper zu tragen, denn sie müssen immer damit rechnen, dass ihre wenigen Habseligkeiten gestohlen werden. Weil sie für sich selbst verantwortlich sind und keine häuslichen Strukturen haben, ist der Kampf um Nahrung ein täglicher Begleiter.